Empathie als Karriere-Motor?

Die Digitalisierung ermöglicht den Frauen, flexibler zu arbeiten, als bislang und Soft Skills wie z. B. soziale und kommunikative Kompetenz, Empathie und Teamfähigkeit als Karrierebooster nutzen zu können. Das sind die Fähigkeiten von Top-Talenten der Zukunft, die von Unternehmen und Wirtschaft zunehmend nachgefragt und typischerweise von Frauen repräsentiert werden. Insbesondere der Empathiefähigkeit kommt im Zuge zunehmender Digitalisierung eine ganz eigene Rolle zu: Denn wenn immer mehr Jobs automatisiert und durch Künstliche Intelligenz ersetzt werden, was bleibt uns dann noch, als das, was uns von Robotern unterscheidet? Janina Kugel, Chief Human Ressources Officer bei der Siemens AG, sagte beim New Work Experience Event 2018: „Wir müssen Dinge machen, die deutlich mehr Empathie erfordern“. Ganz gleich wie bedeutend Automatisierung, Artificial Intelligence und Robotik werden können – der Mensch ist und bleibt essentiell. 

„Empathiefähigkeit, Kommunikation, Kreativität, Agilität und der Umgang mit Neuem und Unbekannten ist das, was uns von den Maschinen unterscheidet“.

Es geht also um die Fragen: Was? Wie, Wie zusammen? Und vor allem warum arbeiten wir heute und in Zukunft? Entscheider fordern mittlerweile selbst immer öfter, dass in allen Bereichen neben IT-Kompetenz auch die sozialen Fähigkeiten in ihrem Unternehmen ausgebaut werden, um das Ziel der digitalen Kongruenz zu erreichen. Dieser Einklang von Unternehmenskultur, Mitarbeitern, Aufgaben, Strukturen und Strategie wird als Digital Excellence bezeichnet.

Hinzu kommt, dass Frauen in Sachen Bildung mittlerweile in jedem zweiten Land besser abschneiden als Männer.

Außerdem möchten bereits sechs von 10 Frauen in den Schwellenländern innerhalb der nächsten fünf Jahre in die Selbstständigkeit gehen. Wenn es jedoch um die Nutzung digitaler Kompetenzen (eng.: Digital Fluency) von Frauen geht, liegt Deutschland nur im Mittelfeld. Die Niederländerinnen, Skandinavierinnen und US-Amerikanerinnen haben hier die Nase vorn. Das hat die Studie „Getting To Equal – How Digital is Helping Close the Gender Gap at Work“ von der Unternehmensberatung Accenture ergeben, die hierfür Daten von 4.900 Befragten aus 31 Ländern ausgewertet hat. Dennoch sind über 60 Prozent der Studienteilnehmer optimistisch, dass die Digitalisierung auch hierzulande zur Angleichung der Karrierechancen beider Geschlechter führen wird. Um es mit den Worten von Sylvia Coutinho, der brasilianischen Chefin der Großbank UBS, auf den Punkt zu bringen:


„Die Digitalisierung ist für Frauen so etwas, wie es die Pille in den 60er Jahren war: Sie eröffnet alle möglichen Freiheiten“.

Sylvia Coutinho, UBS


Oder wie es Robert Franken definiert, der sich selbst als digitalen Potenzialentfalter und Feminist bezeichnet und als langjähriger Experte für digitale Transformation gilt: „Frauen sind die Archetypen der Digitalisierung“. Diese Chancen müssen aber auch ergriffen werden – und das erfordert ein Umdenken und Handeln der Frauen ebenso wie ein Entgegenkommen von männlichen Führungskräften und Arbeitgeber.

Frauen als Unternehmerinnen

Frauen als Gründerinnen

Der Female Founders Monitor des Bundesverbands Deutscher Startups e.V. meldet seit Jahren weniger als 16 % Frauen unter deutschen Start-ups Gründer*Innen. Für dieses Missverhältnis sei eine strukturelle Benachteiligung verantwortlich, heißt es in der Studie. Von einem ausgewogenen Verhältnis von Gründern und Gründerinnen, bzw. von Gender-Diversity kann in Deutschland leider noch keine Rede sein. Und auch die Selbständigen-Quote fällt bei Frauen viel geringer (7 Prozent) aus als bei Männern (14 Prozent). Die Gründe für den geringen Anteil an Gründerinnen in Deutschland sind vielfältig.

Bis heute fokussiert sich die öffentliche Debatte auf die Folgen der Digitalisierung, die vor allem Männer betreffen. Den Umbrüchen im weiblich geprägten Dienstleistungsbereich wird viel weniger Aufmerksamkeit in den Medien geschenkt. Wenn Deutschland künftig aber nicht den Anschluss verlieren will, brauchen wir auch starke UnternehmerInnen. Hier sind die Entscheidungsträger der Branchen gefragt. Grundsätzliche Forderungen können sein: Mehr familiengerechte Arbeitsmodelle, mehr Einstellungen von Frauen für Führungspositionen und wenn gar nichts mehr hilft, die Einführung der Frauenquote. Auch sollten interne Zielvorgaben für Frauenanteile auf bestimmten Positionen oder Beurteilungssysteme, die unterschiedliche Führungsstile berücksichtigen. 

Zukunft der Arbeit: Herausforderungen und Chancen

Aber wer möchte schon eine Position mit einer Frau besetzen, nur des Frauseins wegen, wenn es für die gleiche Position besser qualifizierte männliche Kandidaten gibt? Und welche Frau wäre glücklich über einen Job, den sie nur ausübe, weil der Arbeitgeber sich das Thema Frauenförderung auf die Agenda gesetzt hat? Nach wie vor fürchten viele Frauen, die sich bereits länger im Arbeitsmarkt befinden, benachteiligt zu werden, wenn sie z. B. flexibel arbeiten wollen oder einen anderen Führungsstil als ihre männlichen Kollegen haben. Es könnte nun eine lange und detaillierte Erklärung folgen, die belegt, warum das Thema Quote gesellschaftlich relevant ist und nicht abgewertet werden darf. Die Debatte folgt aber nicht.

Wir sollten vielmehr damit beginnen, die Stereotypen in der Berufswelt aufzubrechen. Wir müssen dafür sorgen, dass sich mehr Frauen für MINT-Fächer begeistern und in Richtung Digital und Tech ausbilden lassen. Oder vermeintliche Frauen-Jobs, wie Sekretariats- oder Administrationsstellen, beispielsweise konsequent mit Männern besetzt werden. Vor allem sollten wir uns aber im Kern ansehen, welche Chancen die Digitalisierung für Frauen (und Männer) mit sich bringt und warum gerade die digitale Wirtschaft für Frauen attraktiv sein kann. Wie kann Female Leadership in Zukunft aussehen?

Eine erfolgreiche Zukunft entsteht nicht durch Zufall. Fortschritt in Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur bedeutet immer Arbeit und Strategie von klugen Köpfen, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort das Richtige tun. Die neue Welt wird nicht nur digital, sondern auch sozial interaktiv sein. Karriere machen daher zukünftig diejenigen, die sich auf den schnellen Wandel in allen Lebensbereichen einlassen und ihn mitgestalten wollen. Mit Wissen und insbesondere mit Flexibilität. 

„Unabhängig davon, dass ich glaube, dass Frauen die besseren Unternehmer sind“, sagt Dorothee Thomanek, 1.Vorsitzende der ehrenamtlichen Unternehmensberatung Mentoren für Unternehmen in Schleswig-Holstein, „werden vor allem von Frauen geführte Unternehmen die Gesellschaft im Sinne der Gleichberechtigung verändern. Frauen werden Wege finden, Familie und Beruf zu vereinen. Sie haben den Druck und die Bereitschaft und sehen die Notwendigkeit moderner Arbeitszeitregelungen. Die Emanzipation und die Wirtschaft brauchen Frauen als Gründerinnen. Wir brauchen auch erfolgreiche Frauen als Vorbilder, damit unsere Töchter Lust haben, Verantwortung zu übernehmen. Nur wer rechtzeitig Verantwortung für seine Familie übernimmt, wird nicht in Altersarmut enden! Auch davon sind leider vor allem Frauen betroffen.“